Mutmachbotschaften des Landrats: Das Besondere im Alltäglichen

Das Coronavirus ist momentan allgegenwärtig – und dominiert nahezu tagtäglich jeden Lebensbereich. Um den Menschen in Waldeck-Frankenberg in diesen schwierigen Zeiten Mut zu machen, hat Landrat Dr. Reinhard Kubat Anfang des Jahres die Artikelserie „Lichtblicke“ mit insgesamt vier Botschaften zum Mut machen begonnen. Im zweiten Teil geht es nun um die kleine Freuden – das Besondere im Alltäglichen zu sehen.


Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

die Resonanz auf meinen ersten „Lichtblick“, mein kurzes gedankliches Augenöffnen für die oft verborgenen Schönheiten des Lebens, war wohltuend. Es hat mich sehr gefreut, so viele zustimmende Rückmeldungen von Ihnen zu erhalten und auch den einen oder anderen Dank. Besonders schön fand ich die vielen, vielen wunderbaren „Licht“-Bilder auf Facebook, jedes für sich eine kleine Kostbarkeit.

Diese Resonanz zeigt mir nicht nur, dass meine Gedankenreise wahrgenommen wird. Sie bestärkt mich auch darin, weitere Hinweise auf das Schöne um uns herum mit Ihnen zu teilen. Selbst die Frage in einem Kommentar zum ersten „Lichtblick“, ob ich denn nun unter die Prediger gegangen sei, macht ja eines deutlich: Wir brauchen in dieser schwierigen Zeit offensichtlich solch eine Aufmunterung. Denn was ist eine Predigt anderes als eine theologische Mutmachbotschaft? Und so möchte ich Sie im zweiten „Lichtblick“ mit den kleinen Freuden vertraut machen, den Besonderheiten, die sich im Alltag so gerne verstecken.

Kurz nach Lichtmess haben wir wohl alle gedacht, der Frühling hält nun tatsächlich Einzug in Waldeck-Frankenberg. Milde Temperaturen mit herrlichem Sonnenschein haben am 4. Februar zu wahren Völkerwanderungen auf den Spazierwegen geführt, ungeachtet des teilweise doch recht matschigen, mit Wasser vollgesogenen Bodens. Drei Tage später hat uns der Winter seine Vorherrschaft dafür mit Macht gezeigt, Schneemassen und arktische Kälte zu uns geschickt. Nicht gerade alltäglich, aber auch nichts Außergewöhnliches in der weißen Jahreszeit. Und auch in diesem Winteralltag ließ sich etwas Besonderes finden.

Bestimmt haben Sie über den Schnee geschimpft, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sich über vermeintlich schlecht geräumte Straßen und Gehwege aufgeregt, beim Schneeschieben oder Scheibenkratzen vor Anstrengung geschnauft. Aber haben Sie bei all dem Ärger über den „Wintereinbruch im Winter“ nicht eines vergessen? Haben Sie innegehalten und gestaunt über das filigrane, einzigartige Gebilde einer Schneeflocke, die kunstvolle, durchsichtige Struktur eines Eiszapfens? Oder darüber, in welch unterschiedlichen Aggregatzuständen unser Alltags-Gebrauchsgegenstand Wasser vorkommen kann? Haben Sie sich mit den Kindern über die unzähligen Möglichkeiten zum Schlittenfahren gefreut, über das Diamantglitzern der Eiskristalle in der Sonne? Wenn Sie in der Lage waren, diese kleinen Freuden zu erkennen, war der ganze Ärger doch bestimmt gar nicht mehr so groß.

Die Fähigkeit, sich kleine Freuden zunutze zu machen, um ein ganz persönliches Glücksgefühl hervorzurufen, spielt auch bei der „Hygge“ eine große Rolle. Spätestens seit der Begriff in Disney’s „Eiskönigin“ auftauchte und damit weltweit bekannt wurde, machen sich immer mehr Menschen seine Philosophie zu eigen. Dabei ist das dänische Hygge in seiner ursprünglichen Bedeutung einzig und allein ein Hegen und Wohlbefinden-Verbreiten – oder anders ausgedrückt: eine tiefe Gemütlichkeit, das Feiern des Lebens, dieses Leben so angenehm und schön wie möglich zu gestalten. Den Moment genießen, Negatives hinter sich lassen, sich und anderen Gutes tun… all das beinhaltet eine hyggelige Einstellung. Und die Kunst, in alltäglichen Dingen etwas Besonderes zu sehen, macht einen wesentlichen Teil der Hygge-Gemütlichkeit aus.

Darum genießen Sie es, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, dank der für die meisten von uns alltäglichen Fähigkeit des Lesens plötzlich in phantastische Welten eintauchen zu können – etwas ganz Besonderes. Genießen Sie die Aussicht, sich bald wieder mit der weit verstreut lebenden Großfamilie oder mit Freunden treffen zu können, wie wir es alltäglich gewohnt waren, bevor uns die Pandemie das Besondere an einer solchen Selbstverständlichkeit gelehrt hat. Entdecken Sie die Befriedigung neu, sich in einer Gruppe Gleichgesinnter körperlich fit zu halten, sobald der Lieblingssport wieder zusammen ausgeübt werden darf, erneut zum Alltag dazugehört. Oder erfahren Sie die ganz besondere Dankbarkeit in der Vereinsgemeinschaft, sich nach der Kontaktbeschränkung wieder persönlich anstatt auf einer digitalen Konferenzplattform zu treffen, den Vereinsalltag wiederaufzunehmen. Ich persönlich kann es kaum erwarten, schon bald wieder mit der Gartenarbeit zu beginnen. In der duftenden Erde buddeln, säen und pflanzen, dem Frühling entgegen…

Kurz gesagt, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, gehören Sie nicht zu denjenigen, von denen die Schriftstellerin Pearl S. Buck in ihrer Erkenntnis spricht: „Viele Menschen versäumen das kleine Glück, weil sie auf das große vergeblich warten.“ Sehen Sie also anstelle von kalten Flocken, die ärgerliches Schneeräumen verursachen, lieber die weiße Pracht der Küsse des Himmels und der Schmetterlinge des Winters. Wandern Sie mit offenen Augen durch Ihren Alltag, nehmen Sie die kleinen Freuden bewusst wahr, die er zu bieten hat, und gehen damit ein Stück leichter und zufriedener durchs Leben.

Dr. Reinhard Kubat

Landrat